Und täglich grüßt der Arbeitsvorgang

Kommentar zum Urteil: LAG Mecklenburg-Vorpommern 19.01.2022 - 5 TaBV 4/21

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hatte sich Anfang des Jahres wieder einmal mit dem Thema „Arbeitsvorgang“ zu beschäftigten. Dem Kläger waren folgende Tätigkeiten übertragen:

  1. Erledigen von buchhalterischen Aufgaben
  2. Reisekostenabrechnung, Beratung, Buchung (Datev)
  3. Personalsachbearbeitung
  4. Lohnbuchhaltung inkl. Schriftverkehr 

Die komplette Tätigkeitsdarstellung können Sie sich hier ansehen.

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Das LAG Mecklenburg-Vorpommern kam zu der Entscheidung, dass drei Arbeitsvorgänge vorliegen:

1. Arbeitsvorgang: buchhalterische Aufgaben

Den ersten Arbeitsvorgang bilden die buchhalterischen Aufgaben im Umfang von 40 % der Gesamtarbeitszeit.  Arbeitsergebnis ist die ordnungsgemäße Verbuchung der Rechnungen. Um einen Buchungsvorgang abschließen zu können, bedarf es verschiedener Arbeitsschritte, wie z. B. der Rechnungsprüfung, Abzug von Skonto, Klären von Unstimmigkeiten bis hin zur Stammdatenpflege. Diese Tätigkeiten sind von den anderen Aufgaben abgrenzbar, insbesondere auch von der Lohnbuchhaltung.

2. Arbeitsvorgang: Lohnbuchhaltung

Den zweiten Arbeitsvorgang bildet die Lohnbuchhaltung im Umfang von 20 % der Gesamtarbeitszeit mit dem Ziel der ordnungsgemäße Erstellung der Gehaltsabrechnungen unter Berücksichtigung der verschiedenen Gehaltsbestandteile und Abzüge.

3. Arbeitsvorgang: Reisekostenabrechung & Personalsachbearbeitung

Alle verbleibenden Tätigkeiten bilden einen einheitlichen Arbeitsvorgang im Umfang von 40 % der Arbeitszeit. Arbeitsergebnis ist die Betreuung der Mitarbeiter in Personalangelegenheiten. Es werden zwar unterschiedliche Serviceleistungen für die Mitarbeitenden durchgeführt, wie z. B. die Verwaltung der Zeiterfassung oder die Erteilung verschiedener Bescheinigungen bis hin zur Beantragung von Bildungsschecks. Arbeitsergebnisse im Sinne des Tarifvertrages sind das allerdings noch nicht. Vielmehr gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass bei der Betreuung bestimmter Personen oder Personengruppen (vgl. Protokollerklärung Satz 1 zu § 12 Abs. 2 TVöD-V) regelmäßig die Wahrnehmung deren Interessen in ihrer Gesamtheit im Vordergrund steht. Bei der Beratung und Betreuung von Mitarbeitern geht es darum, die aus der Beschäftigung sich ergebenden Fragen, insbesondere rechtlicher Art, umfassend und abschließend zu klären. Die Tätigkeit erschöpft sich nicht in der Erteilung einer einzelnen Bescheinigung oder einer Korrektur der Zeiterfassung, sondern fordert typischerweise eine Prüfung, ob der Beschäftigte in diesem Zusammenhang weitere Informationen benötigt oder weitere Dienstleistungen zu erbringen bzw. Maßnahmen zu veranlassen sind.

Zu diesem Arbeitsvorgang zählt auch die Abrechnung von Reisekosten. Der Kläger sei nicht nur für die bloße Abrechnung von Reisekostenerstattungsanträgen einschließlich der Buchung zuständig, sondern auch für die Prüfung von anfallenden Fragestellungen zum Reisekostenrecht bei Inlands- und Auslandsdienstreisen. Dazu gehört es, sich regelmäßig zu erkundigen, ob und welche Veränderungen sich ergeben haben, und die Beschäftigten entsprechend zu informieren und zu beraten. Die Beratung der Beschäftigten in Reisekostenangelegenheiten ist bezogen auf das Aufgabenspektrum des Klägers kein eigenständiges, in sich geschlossenes Arbeitsergebnis, da es zu seinen Aufgaben gehört, die Beschäftigten in allen personalwirtschaftlichen Angelegenheiten zu betreuen. Das bedingt es, in diesem Zusammenhang die Erforderlichkeit weiterer Maßnahmen zu prüfen und ggf. zu veranlassen. So ist es beispielsweise nötig, Dienstreisen im Zeiterfassungssystem einzutragen. Darüber hinaus kann eine Dienstreise die Ableistung von Überstunden erforderlich machen. Zudem kann es notwendig sein, bestimmte Bescheinigungen im Zusammenhang mit einer (Auslands-)Dienstreise zu erteilen. Ein abgrenzbares Arbeitsergebnis liegt erst dann vor, wenn der Kläger den jeweiligen Personalvorgang in Gänze erledigt hat.

Diese Entscheidung entspricht – insbesondere den dritten Arbeitsvorgang betreffend – der gängigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Das BAG hat am 09.09.2020 (4 AZR 195/20) für Beschäftigte in Serviceeinheiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit entschieden, dass sämtliche übertragene Tätigkeiten einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden können.  Das Land Berlin und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder haben gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt (1 BvR 382/21).

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(Artikel aktualisiert am 27.02.2024)

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Die Verfasserin

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RAin Britta Ruiters
Rechtsanwältin und PIW-Trainerin

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