Förderliche Zeiten: Ein Anreizinstrument in der Personalgewinnung

Öffentliche Arbeitgeber sind im Rahmen des Einstellungsprozesses regelmäßig mit der Frage konfrontiert, welche beruflichen Vorerfahrungen der Bewerber*innen sie anerkennen können.

Sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt, eröffnen TVöD und TV-L / TV-H die Möglichkeit, berufliche Vorerfahrung bei der Einstellung zu berücksichtigen, sofern diese für die konkrete Stelle nützlich ist, sogenannte „förderliche Zeiten“. Dabei haben Arbeitgeber einen Ermessenspielraum.  Der Wunsch, geeigneten Bewerber*innen bei der Stufenzuordnung entgegenzukommen und diese zur Deckung des Personalbedarfs zu beschäftigen, ist insbesondere mit dem Haushaltsgrundsatz - öffentliche Gelder nur wirtschaftlich und sparsam zu verwenden - abzuwägen.

Mit dem Urteil vom 15.10.2021 (6 AZR 268/20) hat das Bundesarbeitsgericht erneut zur Anerkennungsfähigkeit förderlicher Zeiten Bezug genommen.

Gegenstand des Verfahrens war die Klage einer Beschäftigten, welche als Lehrkraft bei einer sonderpädagogischen Bildungseinrichtung eingestellt wurde. Dabei erkannte das beklagte Land die Vortätigkeiten der Beschäftigten als Erzieherin zunächst als förderliche Zeiten an, da bei der konkreten Einstellung ein Bewerbermangel vorlag. Das Besondere des Falls: Nach einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin erneut als Lehrerin eingestellt. Diesmal verweigerte das beklagte Land die Anerkennung förderlicher Zeiten, da es bei der konkreten Einstellung keine Personalgewinnungsschwierigkeiten gegeben habe. Was auf den ersten Blick widersprüchlich klingt, ist aus Sicht der Erfurter Arbeitsrichter durchaus legitim. Denn: Bei jeder Einstellung müsse die Anerkennungsfähigkeit zurückliegender förderlichen Zeiten neu geprüft werden. Ohne einen konkreten quantitativen oder qualitativen Bewerbermangel gibt es keine Argumente für die Anerkennung förderlicher Zeiten.

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Auswirkungen auf die Praxis

Aus diesem Urteil lässt sich eine wesentliche Konsequenz für die Praxis ziehen. Die Anerkennung förderlicher Zeiten ist ein Personalgewinnungsinstrument, entsprechend sollte es auch so behandelt werden. Insbesondere sollte vermieden werden, dass durch die Anerkennung förderlicher Zeiten zur Deckung des Personalbedarfs das Entgeltniveau im Vergleich zu Bestandsbeschäftigten ins Ungleichgewicht gerät.

Ein Beispiel: Eine Landesbehörde erkennt ein Jahr förderlicher Zeiten bei der Neueinstellung eines Beschäftigten „F“ an, sodass dieser direkt in die „Stufe 2“ eingestuft wird, da es bei dem Auswahlverfahren keine adäquaten Mitbewerber*innen gegeben hat. Nach zwei weiteren Jahren würde „F“ in die „Stufe 3“ aufsteigen.

Um zu vermeiden, dass „F“ dauerhaft einen Stufenvorsprung gegenüber vergleichbaren Beschäftigten erhält, welche in ihrem Bewerbungsverfahren nicht das Glück hatten, dass es einen Bewerbermangel gab, empfehlen diverse Durchführungshinweise der Länder, den Stufenaufstieg des „F“ von der „Stufe 2“ in die „Stufe 3“ um ein Jahr zu verlängern. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass alle Beschäftigten mit der gleichen einschlägigen Berufserfahrung, zu einem gleichen Zeitpunkt in der Zukunft in die nächsthöhere Stufe aufsteigen. Eine entsprechende Vereinbarung kann als Nebenabrede zum Arbeitsvertrag geschlossen werden.

Fazit

Die Anerkennung förderlicher Zeiten ist als Anreizinstrument zur Personalgewinnung zu verstehen. Öffentliche Arbeitgeber sollen einen gewissen Verhandlungsspielraum erhalten, einen aktuellen Personalmangel mit qualifizierten Bewerber*innen decken zu können. Dieses Anreizinstrument sollte allerdings nicht dazu führen, dass die einschlägige entgeltgruppenspezifische Berufserfahrung, als maßgebliches Kriterium für den weiteren Stufenaufstieg, aufgeweicht wird.

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Ass. jur. Felix Tränkner

Verfasser

 

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