Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung
15 Jahre „vorübergehende“ Dienstunfähigkeit
Mit Beschluss vom 12.08.2025 (Az. 6 B 724/25) hat das OVG NRW eine für die Praxis bedeutsame Entscheidung getroffen: Selbst nach über 15 Jahren ununterbrochener Dienstunfähigkeit kann der Dienstherr noch eine amtsärztliche Untersuchung – auch mit psychiatrischer Begutachtung – anordnen.
Eine verbeamtete Studienrätin war seit 2009 durchgehend dienstunfähig – also seit über 15 Jahren, tatsächlich fast 16 Jahre – ohne jegliche dienstliche Tätigkeit. Die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen waren von einem Zentrum für Neurologie und Psychiatrie ausgestellt worden. Im April 2025 erging die Anordnung zu einer amtsärztlichen Untersuchung, inklusive neurologischer bzw. psychiatrischer Begutachtung, um die Frage der Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit zu klären. Das VG Düsseldorf lehnte einen Eilantrag der Beamtin zur Befreiung von dieser Pflicht ab. Auch das OVG NRW bestätigte diese Entscheidung.
Obwohl das Gericht das Untätigbleiben des Dienstherrn über 15 Jahre "in der Tat nicht nachvollziehbar" fand, hatte dies keine rechtlichen Konsequenzen. Das Gericht stellte fest, dass das Recht des Dienstherrn, eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen, nicht durch Zeitablauf verwirkt wird. Auch nach über fünfzehn Jahren ununterbrochener Dienstunfähigkeit könne die Anordnung noch rechtmäßig erfolgen. Der bloße Umstand, dass der Dienstherr über Jahre hinweg untätig geblieben sei, ändere daran nichts.
Als Anlass für die Untersuchung genügte, nach Auffassung des OVG, der Hinweis auf die seit langem bestehende Dienstunfähigkeit. Eine zusätzliche Begründung, warum gerade jetzt eine Untersuchung veranlasst wurde, sei nicht erforderlich. Entscheidend sei allein, dass ein berechtigtes dienstliches Interesse an der Feststellung der Dienstfähigkeit besteht.
Darüber hinaus hielt das OVG auch eine psychiatrische Begutachtung für geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung gegeben seien. Solche Hinweise ergaben sich im vorliegenden Fall bereits aus ärztlichen Bescheinigungen aus dem Fachbereich Psychiatrie.
Schließlich betonte das Gericht, dass der Dienstherr mit der Untersuchungsanordnung sowohl seiner Fürsorgepflicht gegenüber der Beamtin als auch dem öffentlichen Interesse an einer funktionsfähigen Verwaltung nachkommt. Die Klärung der Dienstfähigkeit sei nicht nur für die Beamtin selbst, sondern auch für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben von wesentlicher Bedeutung.
Das OVG NRW stärkt mit dieser Entscheidung die Handlungsfähigkeit der Dienstherren: Auch nach sehr langer Zeit können sie zur Überprüfung der Dienstfähigkeit amtsärztliche Untersuchungen anordnen. Dies dient nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern entspricht auch der Fürsorgepflicht gegenüber den Beamt*innen.
(Artikel erstellt am 08.09.2025)
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Die Verfasserin
RAin Britta Ruiters
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